Muss ich den Kostenvoranschlag bezahlen, wenn ich nicht reparieren lasse?
Du hattest einen Unfall oder einen kleinen Schaden an deinem Auto, überlegst, was die Reparatur kosten wird und willst Klarheit. Also ab zur Werkstatt oder direkt zum Kfz-Gutachter und einen Kostenvoranschlag machen lassen. Aber dann kommt die Frage auf: Muss ich den Kostenvoranschlag bezahlen, wenn ich nicht reparieren lasse? Gerade im Alltag treffe ich als Karosserieexperte und Gutachter oft auf verunsicherte Kunden, die sich nach dem „Was muss ich jetzt eigentlich zahlen?“ erkundigen, sobald sie plötzlich einen Betrag für den Kostenvoranschlag sehen. In diesem Artikel räume ich mit Mythen auf, erkläre die rechtliche und praktische Lage rund um Kostenvoranschläge beim Auto, spreche über typische Preise und gebe konkrete Tipps aus meiner täglichen Arbeit in Kfz-Werkstatt und Gutachterbüro.
Was ist ein Kostenvoranschlag beim Auto und warum kostet er Geld?
Ein Kostenvoranschlag ist nicht einfach nur ein grober Handzettel, sondern ein detailliertes Dokument, in dem der Zustand deines Autos nach einem Schaden analysiert, die notwendigen Arbeiten aufgelistet und – basierend auf Ersatzteil- und Arbeitskosten – die zu erwartenden Reparaturkosten exakt berechnet werden. Für viele Versicherungen ist der Kostenvoranschlag sogar Voraussetzung, bevor überhaupt gezahlt wird – zum Beispiel bei Bagatellschäden am Stoßfänger deines VW Golf oder Kratzern am Kotflügel eines Opel Astra.
Entgegen der landläufigen Meinung ist der Kostenvoranschlag keine kostenfreie Gefälligkeit. Warum? Werkstätten und Kfz-Sachverständige müssen Zeit und Know-how investieren, um einen belastbaren Bericht zu erstellen. Für einen genauen und verwertbaren Kostenvoranschlag für dein Auto wird häufig:
- Der Schaden gründlich begutachtet (oft sogar auf einer Hebebühne)
- Die Ersatzteilpreise recherchiert und Lagerverfügbarkeiten geprüft
- Der Arbeitsaufwand detailliert abgeschätzt (Lackierarbeiten, Spenglerarbeiten, Zusatzaufwände wie Kalibrierung von Assistenzsystemen etc.)
- Die Kosten in speziellen Kalkulationsprogrammen (Audatex, DAT SilverDAT) professionell aufgelistet
Je nach Umfang kann das für einen Frontschaden am Toyota Yaris schnell ein bis zwei Stunden Arbeit bedeuten, allein um alle Positionen zu recherchieren und zu dokumentieren. Diese Zeit muss vergütet werden, unabhängig davon, ob du letztlich die Reparatur in Auftrag gibst. Das sorgt verständlicherweise für Nachfragen nach der Bezahlung des Kostenvoranschlags, wenn keine Reparatur erfolgt.
Klar ist aber: Du hast als Kunde immer das Recht zu erfahren, ob für den Kostenvoranschlag Kosten anfallen. Seriöse Werkstätten kommunizieren das im Vorfeld. Zu Seltenheiten kommt es vor, dass einfache, mündliche Schätzungen für Stammkunden mal aus Kulanz gratis gemacht werden, aber sobald ein offizielles, ausdruckbares Dokument erstellt wird, bewegt man sich im kostenpflichtigen Bereich.
Muss ich den Kostenvoranschlag bezahlen, wenn ich nicht reparieren lasse? Die rechtliche und praktische Situation.
Die Kernfrage aus Kundensicht: „Muss ich den Kostenvoranschlag bezahlen, wenn ich nicht reparieren lasse?“ Die klare Antwort aus meiner täglichen Berufspraxis lautet: Ja, grundsätzlich schon. Der Kostenvoranschlag ist eine eigenständige Werkleistung – vergleichbar mit einer ärztlichen Diagnose, auch wenn du danach nicht behandelt wirst. Sobald explizit ein schriftlicher Kostenvoranschlag beauftragt wird, entsteht ein Anspruch auf Vergütung, es sei denn, etwas anderes wird konkret vereinbart.
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt im § 632, dass eine Vergütung für Dienste (hier: die Erarbeitung des Kostenvoranschlags) verlangt werden kann. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Werkstatt ausdrücklich erklärt, dass der Kostenvoranschlag kostenlos ist („Gratis-Angebot“), was aber eher bei Vertragswerkstätten oder Aktionen vorkommt. Aus Erfahrung liegen die Kosten für einen schriftlichen KVA zwischen 40 und 120 Euro, je nachdem, wie viel Aufwand erforderlich ist und welches Fahrzeugmodell betroffen ist. Komplexere Schäden, z. B. bei einem Audi Q5 mit Sensorik im Heckbereich, benötigen deutlich mehr Recherche als ein einfacher Steinschlag an der Windschutzscheibe eines Ford Fiesta.
Häufige Preisbeispiele aus meiner Praxis:
- Kleinwagen, Bagatellschaden (z. B. Renault Clio, Kratzer Stoßfänger): ca. 40–60 €
- Mittelklasse, aufwendiger Schaden (z. B. BMW 3er, Parkschaden in der Beifahrertür + Rückleuchte): 70–90 €
- Komplexer Schaden mit Kalibrierungsbedarf (z. B. Skoda Superb, Frontschaden mit Assistenzsystem): bis 120 €
Ein beliebter Irrglaube ist, dass der Kostenvoranschlag immer gratis sein muss, besonders wenn sich der Kunde später gegen eine Reparatur entscheidet. Das stimmt so nicht! Auch die Werkstatt hat einen Aufwand und Anspruch auf Bezahlung – selbst dann, wenn du dich nur informieren wolltest oder die Versicherung den Schaden anderweitig reguliert.
Achtung aber: Wenn bei Auftragserteilung keine klare Vereinbarung getroffen wurde und der KVA extrem einfach gehalten ist (mündliche Schätzung, keine Unterlagen, keine Kalkulation), dann darf die Werkstatt grundsätzlich kein Geld verlangen. Sobald aber ein offizielles, ausgedrucktes Dokument erstellt wurde, wird’s kostenpflichtig.
Ein weiteres Praxisbeispiel: Ein Kunde fährt mit einem Unfallschaden an einem Mercedes A-Klasse zur freien Werkstatt, bekommt einen ausgedruckten, unterschriebenen Kostenvoranschlag (mit allen Positionen), entscheidet sich aber für eine günstigere Lackiererei im Nachbarort. Die erste Werkstatt stellt 65 Euro für den KVA in Rechnung – völlig legitim, da der Kunde nur die Kalkulation, aber nicht die Reparatur beauftragt hat.
Wer übernimmt die Kosten des Kostenvoranschlags? Was ist mit Versicherungsfällen?
Viele hoffen, dass zumindest die Versicherung im Schadenfall den Kostenvoranschlag übernimmt. Hier gibt es Unterschiede:
- Bei Haftpflichtschäden (Unfallgegner ist schuld): Die gegnerische Versicherung muss die Kosten für einen notwendigen Kostenvoranschlag häufig mit ersetzen. Das gilt besonders bei kleineren Schäden, wenn das Hinzuziehen eines Gutachters nicht verhältnismäßig wäre (Bagatellschaden).
- Bei Kaskoschaden (du bist selbst schuld): Deine eigene Kaskoversicherung verlangt in der Regel einen KVA oder schickt ggf. einen eigenen Gutachter. Die Kosten für den Kostenvoranschlag werden üblicherweise, aber nicht immer, von der Versicherung übernommen. Am besten, du hältst vorab Rücksprache mit deinem Versicherer – aus meiner Sicht ist das ein enorm wichtiger Praxistipp.
Doch musst du den Kostenvoranschlag bezahlen, wenn du letztlich keinen Reparaturauftrag vergibst oder eine andere Werkstatt beauftragst? Ja, es sei denn, die Versicherung übernimmt die Kosten explizit. Deshalb mein Rat: Immer schriftlich bestätigen lassen, ob und in welcher Höhe die Versicherung die KVA-Kosten übernimmt. Bei unklarer Lage bleibst du sonst auf den Kosten sitzen, auch wenn der Schaden später anderweitig reguliert wird.
Beispiele aus meiner Praxis:
- Ein Opel Corsa wird beim Ausparken beschädigt, die gegnerische Versicherung bittet um einen Kostenvoranschlag. Nach Vorlage erstattet sie die Kosten von 55 Euro direkt an den Kunden.
- Bei einer Eigenverschuldung (z. B. zerkratzter Heckdeckel beim Kia Ceed), übernimmt die eigene Teilkaskoversicherung die KVA-Kosten nicht, da kein Versicherungsfall nach deren Bedingungen vorlag. Kunde zahlt die 75 Euro an die Werkstatt.
Praxis-Tipp: Viele Werkstätten rechnen die KVA-Kosten im Nachhinein an, wenn du die Reparatur auch dort durchführen lässt (also quasi verrechnet). Falls du aber nach der Schadenerhebung ein besseres Angebot nutzt oder das Auto gar nicht reparierst, zahlst du dennoch für den erbrachten Aufwand.
So gehst du clever mit dem Thema Kostenvoranschlag um: Tipps vom Profi
Gerade wenn du unsicher bist, ob du den Schaden reparieren lassen willst oder überhaupt