Wildunfall: So läuft die Schadenskalkulation

Wildunfall: So läuft die Schadenskalkulation

Wildunfälle sind für viele Autofahrer ein Albtraum – plötzlich springt ein Reh auf die Fahrbahn, du bremst, es kracht, und schon steht dein Auto beschädigt am Straßenrand. Der Schock sitzt tief, doch schnell wird die nächste Sorge laut: „Was kostet der Schaden? Und wie läuft die Schadenskalkulation nach einem Wildunfall eigentlich ab?“ Als Kfz-Gutachter und Karosserieexperte stehe ich tagtäglich vor genau diesen Fragen, wenn ich Unfallfahrzeuge begutachte und Reparaturkosten kalkuliere. In diesem Artikel gebe ich dir einen Einblick, wie die Abwicklung nach einem Wildunfall in der Praxis funktioniert, welche Einflussfaktoren es gibt und worauf du bei der Schadenkalkulation achten solltest.

Was passiert nach dem Wildunfall? – Die wichtigsten Schritte zur Schadenskalkulation

Zuerst bist du natürlich froh, wenn menschlich alles glimpflich ausgegangen ist – aber nach einem Wildunfall geht es schnell an die Schadenabwicklung. Sobald die Polizei informiert wurde und alles dokumentiert ist (immer wichtig für die Versicherung!), folgt der nächste Schritt: die genaue Kalkulation des Schadens am Fahrzeug. Genau hier setze ich als Gutachter an.

Die meisten Schäden nach einem Wildunfall sind sogenannte Karosserieschäden, seltener auch Schäden an Achsen, Scheinwerfern oder der Motorraumtechnik. Ein typisches Beispiel: Ein VW Golf 7 trifft auf ein Wildschwein – dabei werden Stoßfänger, Scheinwerfer, Kühlergrill und manchmal sogar die Motorhaube in Mitleidenschaft gezogen. Kostenvoranschläge für solche Unfallschäden liegen in der Praxis schnell bei 3.000 – 5.500 Euro – selbst ohne Rahmenschaden.

Der Ablauf der Schadenskalkulation gliedert sich meist in folgende Phasen:

  1. Besichtigung des Unfallfahrzeugs direkt vor Ort oder in der Werkstatt
  2. Detaillierte Analyse der beschädigten Bauteile und Baugruppen
  3. Kalkulation der Reparaturkosten unter Berücksichtigung von Ersatzteilpreisen, Arbeitszeiten und Lackierkosten
  4. Prüfung auf mögliche verdeckte Schäden – beispielweise an Sensoren, Haltern oder dem Kühlsystem
  5. Erstellung eines rechts- und versicherungskonformen Schadengutachtens oder Kostenvoranschlags

Wildunfälle fallen in Deutschland unter die Teilkaskoversicherung. Das bedeutet, die meisten Schäden sind grundsätzlich versichert – sofern der Unfallhergang korrekt dokumentiert wurde und keine Fahrlässigkeit vorliegt. Die Reparaturkosten werden dann, abzüglich deiner Selbstbeteiligung, übernommen.

Einflussfaktoren auf die Höhe der Reparaturkosten und typische Preisbeispiele

Eine häufige Frage: „Was kostet mich der Wildschaden an meinem Auto?“ Als Gutachter kann ich sagen: Die Schadenskalkulation nach einem Wildunfall ist extrem individuell. Jedes Modell, jedes Baujahr, sogar jede Ausstattungsvariante bringt andere Kosten mit sich. Hier ein paar Beispiele aus meiner Praxis:

  • VW Golf 8 (2021): Nach Kollision mit einem Reh: Stoßfänger vorne beschädigt, Kühlergrill gebrochen, Nebelscheinwerfer zerstört, Parksensoren defekt.
    Reparaturkosten laut Kostenvoranschlag Auto: ca. 3.800 Euro (inkl. Lackierung und Arbeitszeit).
  • BMW 3er Touring (2017): Wildunfall mit einem Wildschwein, Schäden an Frontschürze, linker Kotflügel, Scheinwerfer und Motorhaube.
    Reparaturkosten: 5.200 Euro, da zusätzlich Sensoren und Kamera-Technik neu kalibriert werden müssen.
  • Opel Astra (2015): Zusammenstoß mit einem Reh, kleinerer Schaden: Stoßfänger vorne angeknackst, Nebelscheinwerfer zerbrochen.
    Reparaturkosten: rund 1.550 Euro.

Neben dem Modell und dem konkreten Schaden spielen bei der Schadenskalkulation die Ersatzteilpreise (jeder Scheinwerfer kann allein zwischen 400 und 1.800 Euro kosten – je nach Xenon, LED oder Halogen!), der Stundenlohn der Werkstatt und der Umfang der Lackierarbeiten eine zentrale Rolle.

Dazu kommt: Moderne Autos sind mit Assistenzsystemen ausgestattet. Ein beschädigter Radarsensor oder eine Kamera muss nach dem Austausch aufwendig eingestellt werden, was allein schnell 300 bis 600 Euro ausmacht. Auch Kunststoffteile wie Stoßfänger sind heute oft teuer, weil Sensorhalterungen oder aktive Luftklappen mitverbaut sind.

Die Faustregel aus der Praxis: Je neuer und hochwertiger das Fahrzeug, desto teurer der Wildschaden. Und: Manche Schäden sind auf den ersten Blick kaum zu erkennen – klassische Beispiele sind gebrochene Befestigungspunkte, Risse im Kühler oder verbogene Halter. Hier setze ich als Gutachter an, um wirklich alles zu erfassen, was repariert oder getauscht werden muss.

Anbei eine Übersicht der typischen Einzelposten, die bei der Schadenskalkulation nach einem Wildunfall anfallen:

  • Stoßfänger vorne: 500 – 1.800 € (je nach Modell und Vor-Ausstattung)
  • Scheinwerfer (LED/Xenon): 400 – 2.000 € pro Stück
  • Kühlergrill: 200 – 600 €
  • Kotflügel: 250 – 900 €
  • Motorhaube (inkl. Lackierung): 800 – 2.100 €
  • Lackierkosten (je nach Fläche): 350 – 1.500 €
  • Kalibrierung Assistenzsysteme: 300 – 650 €

Oft wird in der Werkstatt gleich geprüft, ob weitere Bauteile in Mitleidenschaft gezogen wurden – zum Beispiel Kühler, Klimakondensator oder Längsträger. Werden solche Strukturschäden festgestellt, schnellen die Reparaturkosten schnell in eine ganz andere Dimension.

Tipps zur sicheren und vollständigen Schadenskalkulation nach Wildunfall

Nach einem Wildunfall rate ich dir immer, einen unabhängigen Kostenvoranschlag oder ein Gutachten erstellen zu lassen, bevor du mit der Versicherung oder der Werkstatt Vereinbarungen triffst. Warum? Viele Schäden sind auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Wurde beispielsweise der Stoßfänger zurückgebogen, wirken die optischen Schäden gering – innen können aber Halter, Sensoren oder Befestigungspunkte gerissen oder verschoben sein.

Ein weiterer oft unterschätzter Punkt: Ersatzteilpreise variieren regelmäßig. Der Preis eines LED-Scheinwerfers kann durch Modellpflege oder Teileknappheit innerhalb eines Jahres um mehrere Hundert Euro schwanken. Als Gutachter prüfe ich daher immer die aktuellsten Herstellerpreise und gleiche diese mit der Werkstatt ab.

Auch bei der Wahl der Werkstatt solltest du aufpassen. Manche Versicherungen schicken dich zu Partnerwerkstätten, die mit günstigeren Stundensätzen kalkulieren. Das ist in Ordnung, solange die Reparatur fachgerecht erfolgt. Wenn du jedoch Wert auf freie Werkstattwahl legst oder auf originale Ersatzteile bestehst, solltest du das bei der Kalkulation offen ansprechen.

Aus meiner Praxis noch ein Tipp: Fotodokumentation ist Gold wert! Je mehr Fotos vom Schaden, vom Unfallort und von möglichen Spuren am Auto vorhanden sind, desto besser kann der Gutachter (und später die Versicherung) alle Schäden und den Hergang nachvollziehen. Besonders wichtig bei z. B. Unterfahrschäden, kleinen Rissen in Stoßfängern oder Beschädigungen an Kameras und Sensoren.

Zur vollständigen Schadenskalkulation gehören:

  1. Erfassen ALLER sichtbaren Schäden (Karosserie, Scheinwerfer, Motorraum, Sensoren etc.)
  2. Prüfen und dokumentieren möglicher Folgeschäden und versteckter Schäden
  3. Kalkulation auf Originalteilbasis (sofern gewünscht) und auf Basis von Herstellerarbeitszeiten
  4. Berücksichtigung von Kalibrierungskosten für Fahrassistenten und Messsysteme
  5. Transparente Aufstellung aller Arbeits- und Lackierkosten

Nicht zuletzt: Bei neuen Fahrzeugen oder Leasingautos kann die fachgerechte Instandsetzung entscheidend für Werterhalt und spätere Rückgabe sein. Fehlt eine vollständige Kalkulation, drohen Nachforderungen oder Ärger