Zahlt die Versicherung einen Kostenvoranschlag?

Zahlt die Versicherung einen Kostenvoranschlag? – Was Du wissen musst

Du stehst nach einem Unfall mit deinem Auto vor dem beschädigten Kotflügel, ärgerst dich über den Kratzer im Stoßfänger oder bist ratlos, weil dir jemand auf dem Supermarktparkplatz in die Tür gefahren ist. Aus jahrelanger Erfahrung als Kfz-Gutachter weiß ich: Die Reparatur beginnt selten in der Werkstatt, sondern erst mal mit der Frage – zahlt die Versicherung einen Kostenvoranschlag? Diese Frage begegnet mir in der täglichen Praxis immer wieder. Deshalb zeige ich dir hier, wann ein Kostenvoranschlag übernommen wird, wo Stolperfallen lauern und wie du am schnellsten ans Ziel kommst. So kannst du klar einschätzen, was wirklich zählt, wenn du deinen Unfallschaden regulieren lassen willst.

Kostenvoranschlag: Wer zahlt wirklich – und wann?

Nach einem Schaden ist der Gang zur Werkstatt oder zum Kfz-Gutachter der erste Schritt. Oft verlangen Versicherungen einen Kostenvoranschlag, bevor eine Auszahlung erfolgt. Doch wer übernimmt die Kosten dafür? Aus deiner Sicht als Geschädigter möchtest du natürlich keine „Gebühren fürs Papier“ bezahlen – sondern dich auf die Regulierung der Reparaturkosten konzentrieren.

Zunächst liegt es daran, welchen Versicherungsfall wir haben. Handelt es sich um einen selbstverschuldeten Schaden an deinem Fahrzeug (also ein Fall für die Kaskoversicherung) oder bist du im Recht, weil dir jemand anderes ins Auto gefahren ist (Haftpflichtschaden)? Diese Unterscheidung ist entscheidend.

  • Haftpflichtschaden: Du bist der Geschädigte. Grundsätzlich muss die Versicherung des Unfallgegners die Kosten für einen Kostenvoranschlag übernehmen – vorausgesetzt, dieser wurde zur Feststellung der Schadenhöhe und zum Nachweis benötigt. In der Praxis wird dies in der Regel erstattet, insbesondere bei kleineren Schäden (z. B. Parkrempler, Kratzer, kleine Beulen), bei denen kein Gutachten vorgeschrieben ist.
  • Kaskoschaden: Du bist Verursacher oder es handelt sich um einen Teil- bzw. Vollkaskoschaden (z. B. Wildunfall, Vandalismus). Die meisten Kaskoversicherungen erstatten Kosten für einen Kostenvoranschlag, allerdings in sehr überschaubarem Rahmen und meist nur, wenn die Reparatur tatsächlich beauftragt wird. Manche Versicherer sehen im Vertrag vor, dass der Kunde einen kostenfreien Kostenvoranschlag einholen muss – oder sie delegieren diesen direkt an ihre Partnerwerkstatt.

Wichtig zu wissen: Ein einfaches Schreiben mit pauschalen Angaben („Stoßfänger vorne: 400 €“) reicht selten. Die Versicherung verlangt einen professionell aufgestellten und detaillierten Kostenvoranschlag, zum Beispiel auf Grundlage von Herstellervorgaben (AUDATEX, DAT), inklusive Ersatzteilnummern und Arbeitszeitrichtwerten. Genau hier entstehen meist Kosten zwischen 50 und 120 Euro – je nach Werkstatt und Aufwand, aber auch Modell (bei einem VW Golf günstiger als bei einem Mercedes CLS).

In meinen Wertermittlungen sehe ich: Viele Versicherungen zahlen den Kostenvoranschlag nur, wenn er als „notwendiger Aufwand zur Schadenfeststellung“ gilt. Das ist regelmäßig der Fall, wenn die Schadenhöhe keine deutlich teurere Gutachtenerstellung erfordert, also z. B. bei Schäden unter circa 1.000 bis 1.500 Euro.

Typische Kosten, Praxisbeispiele und Stolperfallen

Was kostet ein Kostenvoranschlag fürs Auto wirklich? In der Praxis unterscheide ich zwischen Schäden an günstigen Kleinwagen (z. B. Opel Corsa, Ford Fiesta), Mittelklasse (Skoda Octavia, BMW 3er) und bei Premiumautos (Audi Q7, Mercedes S-Klasse).

  • Kostenvoranschlag Stoßfänger Austausch VW Polo: circa 70 Euro
  • Kratzer Tür, Smart Repair BMW 1er: ca. 60–90 Euro für den Voranschlag
  • Schweller instandsetzen Audi A4: 85 bis 120 Euro, je nach detaillierter Demontageaufnahme

Die Preise unterscheiden sich nach Region, Werkstatt und Fahrzeugtyp – viele freie Werkstätten liegen günstiger als ein Vertragspartner. Übrigens: Häufig wird die Gebühr für den Kostenvoranschlag mit den Reparaturkosten verrechnet, falls du die Reparatur dort tatsächlich durchführen lässt. Eine clevere Möglichkeit, um doppelte Kosten zu vermeiden.

Doch es gibt typische Stolperfallen – hier ein Blick in meinen Alltag:

  • Ein Kunde kam mit einem 6 Jahre alten Opel Astra, Parkschaden vorn. Werkstatt verlangt 75 Euro für den detaillierten Voranschlag. Nach Einreichung lehnte die Haftpflichtversicherung die Übernahme ab, weil ein Gutachten wegen „wirtschaftlichem Totalschaden in Betracht“ gezogen wurde. Folge: Doppelte Arbeit, Verzögerungen – Kosten für den Voranschlag blieben am Kunden hängen. Mein Tipp: Erste Rücksprache mit der Versicherung, welches Nachweisdokument verlangt wird!
  • Ein anderer Fall: Kratzer an der Stoßstange eines 2 Jahre alten Skoda Fabia. Werkstatt erhebt 60 Euro Gebühr, die gegnerische Haftpflicht zahlt anstandslos, da klar erkennbar war, dass kein Gutachten notwendig ist.
  • Bei Kaskoschäden verlangen manche Assekuranzen, dass der Kostenvoranschlag aus einer Partnerwerkstatt stammt – hier gibt es ihn oft gratis. Eigene Werkstätten berechnen aber weiterhin eine Gebühr. Besonders beim Selbstverschulden lohnt es sich, vorab zu fragen.

Achtung: Viele unerfahrene Kunden glauben, der Kostenvoranschlag sei „automatisch kostenlos“ bei jedem Kfz-Schaden. Das ist nicht der Fall! Nur wenn wirklich ein Schadenereignis und eine Pflicht zur Schadenfeststellung für die Versicherung besteht, übernimmt diese im Regelfall die Kosten. Bei Bagatellschäden (unter 750–1.000 Euro), bei denen oftmals noch Fotos zur Regulierung reichen, verlangen Versicherungen heutzutage häufiger gar keinen Kostenvoranschlag mehr.

Ein praktischer Tipp aus meiner Werkstatt-Erfahrung: Sprich idealerweise zuerst mit dem Gutachter oder der Werkstatt deines Vertrauens und lasse dir schriftlich bestätigen, ob im Falle einer Versicherungsregulierung die Kosten für den Kostenvoranschlag wieder erstattet werden. Im Zweifel lieber kurz bei der Versicherung anrufen und nachfragen!

  1. Schaden dokumentieren – Fotos, Daten, Unfallskizze
  2. Mit Versicherung klären: Kostenvoranschlag gewünscht? Eigenen Gutachter oder Werkstatt wählen erlaubt?
  3. Kostenvoranschlag erstellen lassen – auf exakte Teilepreise, kalkulierte Arbeitszeit und Mehrwertsteuer achten
  4. Kostenvoranschlag bei der Versicherung einreichen und Bestätigung der Kostenübernahme anfordern

Gerade bei neueren Fahrzeugen mit Assistenzsystemen, Sensoren oder Kameras kann die Schadenaufnahme sehr viel aufwändiger werden. Ein minimaler Blechschaden am Mercedes GLC kann – je nach Ausstattung – schnell mehrere Tausend Euro Reparaturkosten bedeuten. Ein einfacher Kostenvoranschlag wird hier nur selten ausreichen. In solchen Fällen ist meist ein offizielles Schadengutachten notwendig, dessen Kosten die Haftpflichtversicherung komplett übernimmt, sofern der Schadenwert eine gewisse Grenze übersteigt (in der Praxis etwa 750 bis 1.000 Euro).

Wie du vorgehst: Tipps für die Einreichung und Abrechnung

Damit du am Ende nicht auf den Kosten sitzen bleibst und keine Zeit verlierst, habe ich die wichtigsten Empfehlungen für dich zusammengetragen.

  • Erkundige dich frühzeitig bei der Versicherung, ob ein Kostenvoranschlag ausreichend ist oder ein Gutachten verlangt wird – bei kleineren Kratzern oder Beulen meist Kostenvoranschlag, bei größeren Schäden Gutachten
  • Lasse dir im Vorfeld die Erstattung der Erstellungskosten bestätigen oder frage, ob die Versicherung direkt einen Partnerbetrieb benennt
  • Behalte im Blick: Manche Werften verechnen die Voranschlagsgebühr bei Auftragsvergabe. Setze dir eine Frist, damit dir die Kosten nicht doppelt entstehen.
  • Für Privatgutachten oder freiwillige Vorabschätzungen (ohne Schadensereignis) zahlt die Versicherung nichts – diese Kosten trägst du immer selbst.
  • Lies die Versicherungsbedingungen genau: In der Teil- oder Vollkasko finden sich oft direkt Hinweise, ob die Kosten übernommen werden oder nicht.
  • Bei Streitfällen unterstützt oft ein unabhängiger Kfz-Sachverständiger, der auch bei der Kommunikation mit dem Versicherer vermittelt.